Ausgeräumt
Heute hat man dem Karl-Heinz den Magen ausgeräumt.
Das war schwerste Arbeit - das können sie mir glauben.
Ich war nämlich dabei.
Der K.H. kam mit dem Notarztwagen in unser Krankenhaus gefahren.
Er schrie so laut, dass der Wagen die Tatütatasirene eigentlich hätte  auslassen können.
Auf der fahrbaren Bahre wurde der, wie am Spieß schreiende K.H.  direkt in den OP gefahren.
In der Mitte von K.H., direkt über ihn, wölbte sich sein Bauch wie  ein riesiger Ballon, dessen Haut  war so gespannt, dass sie zu  platzen drohte.
Rechts und links von der Kugel erkannte ich K.H. Ohren an seinem  schreienden Kopf, unten erkannte ich ihn an seinen ausgelatschten  Westernstiefeln.
Ich bin übrigens Hildegard, OP Schwester im Bethestakrankenhaus.
Das Notfalloperationsteam hatte große organisatorische  Schwierigkeiten; die am Kopfende konnten durch Karl-Heinzens Wampe  nicht sehen, was die am Fußende machten und so mussten wir uns  gegenseitig anschreien.
Eine ganz neue Atmosphäre im sonst leichenstillen OP, wo sonst nur  die Instrumente geräuschvoll arbeiten.
Der Chefarzt nahm das Skalpell und machte einen Riesenschnitt,  einmal längs durch K.H. Ballon.
Mit einem lauten Knall fiel der Kotflügel einer alten Ente auf den  sterilen OP Boden.
Der Chefarzt war fassungslos.
"Großer Schaufelbagger!", orderte er.
"Wir müssen ausräumen!"
Mit dem großen Schaufelbagger kamen ein Heizungskessel, (fast  komplett) eine tote Katze, ein Kinderfahrrad, eine Autobatterie und  mehrere Dachpfannen nach einer schweißtreibenden OP zutage.
"Kleiner Schaufelbagger!", befahl der Chefarzt.
Er war klatschnaßgeschwitzt und an seiner Nasenspitze baumelte ein  Tropfen.
Mit dem kleinen Schaufelbagger kamen zwei Sparbücher, eine  Perlenkette, ein Kofferradio, eine Stange Zigaretten und mehrere  Briefe von einem Anwalt zum Vorschein.
Der Chefarzt schwitzte.
Rechts und links klappte die geblähte Haut von K.H. Wampe über die  Ränder des OP Tisches.
K.H. war wieder im Ganzen sichtbar.
"Kelle!", schrie der Chefarzt und machte sich daran, zwei Eheringe,  einen Würfel, verschiedene Schlüssel und ein Feuerzeug zu bergen.
Ausgeräumt.
K.H. hatte Glück gehabt.
Seine anderen Organe waren Gott sei dank von der Belastung nicht  zerquetscht worden.
Dr. Hugo Heinevetter wies die beiden Assistenzärzte an, K.H. wieder  zuzunähen.
Diagnose: Zuviel in sich reingefressen und noch mal Glück gehabt,  schrieb Heinevetter ins Krankenblatt.
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